Merzig lehnt Reaktivierung der Bahnstrecke Merzig – Losheim am See ab
Die Landesregierung hatte am 12.11.2024 die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken für den Personennahverkehr im Saarland vorgestellt. Die Strecke Merzig – Losheim am See erfüllt danach mit einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis die grundsätzliche Voraussetzung zur Förderung einer Reaktivierungsmaßnahme durch den Bund. Begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen erfordern allerdings eine Priorisierung durch das Land hinsichtlich der weiteren Umsetzungsschritte in Richtung Reaktivierung. Vor der Sommerpause 2025 will der Ministerrat eine Entscheidung treffen, welche der im Saarland möglichen Bahnstrecken reaktiviert werden soll.
„Die Kreisstadt Merzig begrüßt ausdrücklich das Ziel, den ÖPNV im Landkreis Merzig-Wadern und in der Kreisstadt Merzig zu stärken und die Mobilität insbesondere in den ländlichen Räumen zu verbessern. In Abwägung aller vorliegenden Aspekte und aufgrund der überwiegend zu erwartenden negativen Auswirkungen in der Kreisstadt Merzig lehnt die Stadtverwaltung Merzig allerdings eine Reaktivierung der Bahntrasse Merzig – Losheim am See ab und empfiehlt dem Stadtrat für die Sitzung am Donnerstag, 8. Mai 2025, das Projekt nicht aktiv zu unterstützen“, erklärt Oberbürgermeister Marcus Hoffeld.
Die Stadtverwaltung betont, dass die Reaktivierung der Bahnstrecke die zukünftige Entwicklung des ehemaligen V&B-Geländes, das etwa 250.000 Quadratmeter umfasst, erheblich beeinträchtigen würde. Für die städtebauliche Entwicklung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist eine mehrfache Anbindung des Geländes an die Losheimerstraße unabdingbar. Allerdings sind laut Vertretern des Ministeriums für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar- und Verbraucherschutz lediglich die Verschiebung einer bestehenden Bahnquerung möglich. Die Errichtung einer notwendigen, zusätzlichen Bahnquerung ist hingegen nicht möglich. „Aufgrund dieser Aussage würde eine Entwicklung der ehemaligen V&B-Fläche massiv behindert werden und angrenzenden Wohnlagen, insbesondere im Rotensteiner Weg, würden eine nicht hinnehmbare Belastung erfahren“, betont Bürgermeister Christian Bies.
Ein weiteres zentrales Argument gegen die Reaktivierung betrifft die Belastung der Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Bahntrasse. Durch den geplanten Halbstundentakt würde die Lärmbelastung deutlich steigen. Hinzu käme zusätzlich die Lärmbelastung durch einen potentiellen Güterverkehr. Da kein aktiver Lärmschutz vorgesehen ist, müssten die Anwohnerinnen und Anwohner selbst Maßnahmen, wie Lärmschutzfenster, ergreifen, was eine erhebliche Belastung darstellen würde.
Eine Reaktivierung der Bahnlinie hätte auch Auswirkungen auf die bisherigen Buslinien: Eine Reaktivierung würde bedeuten, dass die relativ stark frequentierte Buslinie R1 wegfallen würde. Die R1 fährt insbesondere in Brotdorf durch Wohngebiete, die relativ weit weg liegen von einem möglichen Bahnhaltepunkt Brotdorf. Für die Bürgerinnen und Bürger würde sich durch einen Wegfall der Linie die ÖPNV-Situation verschlechtern. Alternativ müsste ein neues Bussystem aufgebaut werden, dass alleine vom Landkreis und Stadt bezahlt werden müsste und somit zu einer weiteren finanziellen Belastung führt.
Auch die Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr sind aus Sicht der Stadtverwaltung Merzig nicht zu unterschätzen. Der angestrebte Takt von 30 Minuten würde an mehreren Kreuzungspunkten in Merzig und Brotdorf zu erheblichen Verkehrsbehinderungen führen, was zu längeren Staus und Mehrkosten für Umbauten im Straßenverkehr führen könnte. Die Stadt befürchtet, dass diese Belastungen die Lebensqualität in Merzig beeinträchtigen und die Kosten für die Infrastruktur deutlich steigen lassen.
Finanziell stellt die Reaktivierung aufgrund der begleitenden Investitionen aus Sicht der Merziger Verwaltung ohnehin ein erhebliches Risiko dar. Die geschätzten Investitionskosten belaufen sich auf bis zu 49 Millionen Euro, wobei die tatsächlichen Gesamtkosten zum Zeitpunkt einer möglichen Reaktivierung, inklusive notwendiger Grundstückskäufe und laufender Betriebskosten, deutlich höher ausfallen könnten. Die Finanzierung der begleitenden Infrastrukturmaßnahmen wie Umsteigeparkplätze, Bushaltepunkte, Zuwegungen und Fahrradabstellanlagen etc. sowie die laufenden Kosten für den Betrieb des zusätzlichen Bus-ÖPNV sind derzeit unklar, was Landkreis und Stadt vor große finanzielle Herausforderungen stellen würde.
Bis zu einer möglichen Reaktivierung, die frühestens 2040 zu erwarten ist, wäre die Bahntrasse stillgelegt. So lange würde sich auf den Gleisen auch weiterhin nichts tun.
„Angesichts dieser Aspekte kommt die Stadtverwaltung zum Ergebnis, die Reaktivierung der Bahnstrecke abzulehnen. Aus unserer Sicht ist der Ausbau eines Radweges in Verbindung mit einem alternativen E-Bus-System eine bessere Alternative“, so Oberbürgermeister Marcus Hoffeld.
Die Kreisstadt Merzig bleibt jedoch auch weiterhin offen für einen konstruktiven Dialog. Ziel ist es, gemeinsam nachhaltige und zukunftsfähige Mobilitätskonzepte für die Region zu entwickeln.